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Schule fürs Leben: Dieses Frühstück macht mehr als nur satt

Nurahayac mag am liebsten Fleischwurst – „mit Gurke“ – ruft die Neunjährige über den langen Frühstückstisch und beißt herzhaft in ihre selbstgeschmierte Stulle. Ihre Freundin Aishe (7) isst dagegen gern Apfel zum Brot. Erhan (8) mag lieber„Schokobrot“. Es ist 7.30 Uhr und Brotzeit in der grün gelegenen Gemeinschaftsgrundschule Breite Straße in Duisburg-Fahrn – eine von rund 20 Grund- und Förderschulen in der Region Rhein-Ruhr, die der Verein „Brotzeit e.V.“ seit 2013 mit einem ausgewogenen Frühstücksangebot unterstützt.

40 Kinder aller Nationen
Gut 40 Kinder aller Nationen strömen vor dem Unterricht in den Frühstücksraum des Backsteingebäudes, wo die beiden ehrenamtlichen Helferinnen Petra Deutscher und Marianne Schenk schon allerlei Brotsorten, verschiedenen Aufschnitt, Gurken, Müsli und Obst für die vielleicht wichtigste Mahlzeit des Tages vorbereitet haben. Denn jedes Kind hat so seine Vorlieben. „Die Wurst ist natürlich aus Geflügelfleisch“, sagt Deutscher, denn auf religiöse Besonderheiten achten die Helferinnen in der Küche der Gemeinschaftsgrundschule.
Und auch auf die fröhliche Blumen-Deko am Tisch – das gehört für einen guten Start in den Schultag dazu. Manche Kinder sind so früh noch etwas verschlafen, andere dagegen schon quicklebendig. Für alle heißt es erst einmal: „Ranzen ablegen“, „Jacken ausziehen“, ankommen – und dann wird in aller Ruhe gegessen.

Nebenan in der Küche hat Petra Deutscher ihre frische rote Schürze angelegt und schnippelt schon wieder einen Apfel. Stiel und Kerne schneidet sie sorgfältig heraus, die adretten Achtel drapiert sie auf dem Teller. Lange werden die Scheiben dort zwar nicht bleiben, aber Deutscher weiß, dass es auch für Kinder wichtig ist, wenn Essen appetitlich aussieht. Dazu zählt ebenso die Ordnung in der Küche, die hier vorbildlich ist – nichts liegt lange herum, „alles wird frisch gemacht und nur so viel, wie auch gegessen wird“, sagt Marianne Schenk, während sie ein Stück Fleischwurst aufschneidet und im Halbrund auf einen Teller schichtet. Der Rest wandert in Schachteln verpackt zurück in den Kühlschrank.

Von dem Wurst-Teller bedienen sich die Schüler selbst. Denn die Brote schmieren die Ehrenamtlichen nicht, die Schüler sollen selbst entscheiden, was und wieviel sie essen und auch den verantwortlichen Umgang mit den Lebensmitteln kennenlernen. Das funktioniert gut. Ein Junge macht sich einen Toast. Aisha dagegen hat eine zusammengeklappte Stulle vor sich liegen und mümmelt vergnüglich daran, dann holt sie sich schnell noch ein Stückchen Apfel dazu – nicht mehr. Fürs Foto posieren die Kinder ganz genüsslich mit Schnittchen. Denn: „Essen ist cool.“ So haben die Kinder es auf ein Blatt geschrieben und an die Wand gehängt, buntes Obst und eine knallrote Tomate um die Schrift herum gemalt. Erhan zeigt auf ein anderes Bild mit einem gezeichneten Teller zwischen Messer und Gabel. So muss ein ordentlicher Frühstückstisch aussehen.

Mehr als nur Frühstück
Auf gute Tischmanieren legt Schulleiterin Annette Glass großen Wert, „Höflichkeit ist ebenso wichtig wie Händewaschen, denn wir wollen nicht nur die Leistung sondern die Gesamtpersönlichkeit der Schüler stärken“. Mit im Raum betreut deshalb auch ein Schulsozialarbeiter die Kinder. Dass der Verein „Brotzeit“ ihre Schule mit Ehrenamtlern und Lebensmittelspenden unterstützt, „ist für uns ein Glücksfall“, meint die Schulleiterin. Vor einigen Jahren hat sie sich mit ihrer Schule dafür beworben, denn Glass weiß: Mit Hunger im Bauch sind Kinder unkonzentriert, lernen schlechter. „Viele Schüler kommen aber ohne ein Frühstück zum Unterricht, manche haben nicht einmal ein Brot dabei.“

Jeder vierte Grundschüler in Deutschland geht ohne Frühstück in die Schule, weiß auch Claudia Stappert, die das Projekt „Brotzeit“ in Duisburg und Oberhausen seit 2013 koordiniert: „Ich habe mich dafür engagiert, weil ich eine soziale Ader habe. Gerade in strukturschwachen Städten sind solche Projekte für Kinder wichtig.“

Brotzeit wirkt deutschlandweit
Brotzeit ist jedoch nicht nur im Ruhrgebiet aktiv sondern deutschlandweit in acht Regionen an rund 200 Schulen von München bis Hamburg. Prominente Mitbegründerin ist die Schauspielerin Uschi Glas, die seit Beginn im Jahr 2009 im Vorstand des Vereins wirkt. Der Verein bildet die organisatorische Plattform, während die konkrete Maßnahme vor Ort und in Zusammenarbeit mit der Schulleitung und Koodinatorin Claudia Stappert organisiert wird. Finanziert wird das Projekt aus Spenden, es helfen aber auch Partner aus der Lebensmittel- und Lieferbranche.

Stappert führt in den Nebenraum der Küche, wo der große Kühlschrank steht: Drinnen stapeln sich Käse, Wurst und vieles andere. Der Discounter Lidl hat vieles davon gespendet, verteilt die Waren sogar mit Kühlfahrzeugen an die Schulen. Auch die ehrenamtlichen Helfer – häufig sind es engagierte Senioren – werden von der Koordinatorin in Absprache mit der Schule eingesetzt und betreut.

Teamgeist und Empathie gefragt
Wer für Kinder ehrenamtlich etwas Gutes tun möchte, ist als Helfer willkommen. Sie oder er muss Teamgeist und Zuverlässigkeit mitbringen, sagt Stappert, außerdem brauche man viel Empathie für die Bedürfnisse der Schüler. Dafür gibt es eine Aufwandsentschädigung, doch die Motivation holen sich Petra Deutscher und Marianne Schenk woanders. „Ich bin Frührentnerin, mir macht die Arbeit mit Kindern richtig Spaß“, meint Deutscher. Ihre Kollegin wollte schon lange ehrenamtliche Arbeit machen, „das Schulgebäude kenne ich noch aus meiner Schulzeit – damals war es eine Volksschule“, verrät Schenk, während sie noch ein Glas Saft einschenkt. Für sie ist vieles hier noch vertraut: „Als ob man nach Hause kommt“, sagt sie mit einem Lächeln.

 

Sie wollen mitmachen? Informationen gibt es unter www.brotzeitfuerkinder.com oder direkt telefonisch: 0173 2796233 bei Projektkoordinatorin Claudia Stappert.

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